Die Geschichte unserer Burg

Die Geschichte könnte beginnen wie ein Märchen: „Es war einmal …“ Doch damit wäre dem Thema vielleicht nicht genug Ernsthaftigkeit verliehen. Denn ein Märchen ist die Geschichte der Burg Lichtenberg nun wahrlich nicht. Anders als im Märchen leben die Beteiligten dieser Geschichte schon lange nicht mehr, sodass selbst das typische Ende „… und wenn sie nicht gestorben sind …“ hier fehl am Platz wäre.

Dieser Text ist auch kein streng wissenschaftlicher Beitrag, der ausschließlich auf quellenkritisch geprüften Fakten basiert. Vielmehr wurde hier zusammengestellt, was aus Schriften, Vorträgen und anderen Überlieferungswegen bekannt ist. Daher können sich auch Ungenauigkeiten eingeschlichen haben. Falls Sie eine entdecken – lassen Sie es uns bitte wissen!

Ausschnitt aus dem Krönungsbild aus dem Evangeliar Heinrichs d. Löwen. Zwei gekreuzte Hände reichen Kronen vom Himmel herab auf Mathilde und den knienden Herzog. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 105 Noviss. 2°, fol. 171v.
Ausschnitt aus dem Krönungsbild aus dem Evangeliar Heinrichs d. Löwen. Zwei gekreuzte Hände reichen Kronen vom Himmel herab auf Mathilde und den knienden Herzog. Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 105 Noviss. 2°, fol. 171v.

Also: Es war einmal – vor langer Zeit im 12. Jahrhundert – ein Herzog, der über das Gebiet herrschte, das heute Niedersachsen heißt, sowie über das damalige Bayern. Damit gehörte er zu den mächtigsten Fürsten des Reiches. Besonders beliebt war er jedoch nicht: Herrschsüchtig und streitbar, legte er sich oft mit Zeitgenossen an – sogar mit dem Kaiser selbst, dem er als Lehnsherr unterstand. Kompromisslos und machtbewusst, erinnerte sein Auftreten – modern gesprochen – beinahe an eine „trumpeske“ Erscheinung.

Dieser Herzog – Heinrich der Löwe – regierte zunächst in Sachsen, dann auch wieder in Bayern. Das Herzogtum Bayern war zuvor seinem Vater Heinrich dem Stolzen entzogen worden, wurde aber 1156 von Kaiser Friedrich I. Barbarossa an Heinrich den Löwen zurückgegeben. Damit war er in Personalunion Herrscher beider Herzogtümer.

Heinrich der Löwe, vermutlich um 1129/1130 im Schwäbischen geboren, war eng mit Braunschweig verbunden. Seine Mutter, Judith, war die Schwester von Friedrich II. von Schwaben, dem Vater des späteren Kaisers Friedrich I. Barbarossa – eine Eheverbindung, die helfen sollte, den langjährigen Konflikt zwischen Welfen und Staufern zu befrieden.

Die Welfen überdauerten im Gegensatz zu den Staufern viele Wirren und Kriege. Der letzte Staufer, Konradin, wurde 1268 – nicht zuletzt auf Betreiben von Papst Clemens IV. – nach verlorener Schlacht gegen Karl von Anjou, König von Sizilien, enthauptet.

Die Burg Lichtenberg liegt auf einer 241 m hohen Muschelkalkkuppe des Salzgitter-Höhenzugs und wurde 1180 erstmals urkundlich erwähnt. Trotz ihrer heute weitgehend ruinösen Erscheinung zieht sie zahlreiche Besucher an – nicht nur wegen ihrer landschaftlichen Lage, sondern auch wegen ihres historischen Wertes.

Ruine Burg Lichtenberg auf dem Lichtenberger Höhennzug. Die Aussichtsplattform ist 2016 vermutlich durch Brandstiftung abgebrannt. Aufnahme: G. Hein
Ruine Burg Lichtenberg auf dem Lichtenberger Höhennzug. Die Aussichtsplattform ist 2016 vermutlich durch Brandstiftung abgebrannt. Aufnahme: G. Hein

Die Burg wurde von Friedrich I. Barbarossa persönlich im Kampf gegen Heinrich den Löwen belagert und eingenommen – ein Hinweis auf ihre damalige strategische Bedeutung.

Heinrich der Löwe kam durch nicht genau belegte Umstände in den Besitz des umfangreichen Allodialguts des letzten Grafen von Assel, der 1170 verstarb. Teil dieses Besitzes war auch die Burg Assel bei Burgdorf. Diese verlor offenbar bald ihre militärische Bedeutung zugunsten der Burg Lichtenberg. Obwohl Heinrich nicht als Burgenbauer bekannt ist, nutzte und erweiterte er wohl eine bereits vorhandene Anlage. 1202 nannten seine Söhne die Burg Lichtenberg als Teil ihres Erbes – welchem Erbkomplex sie genau zuzuordnen ist, bleibt unklar.

Die Burg hatte eine bedeutende strategische Lage zwischen den Interessensphären des Hochstifts Hildesheim, der Reichsstadt Goslar, Peine und Braunschweig. Sie kontrollierte Handels- und Heerstraßen, wie z. B. die Route von Minden/Bremen nach Halberstadt, mit Abzweigungen nach Braunschweig und über Ringelheim Richtung Frankfurt. So konnte etwa der Verkehr nach Goslar jederzeit unterbrochen werden. König Otto IV., Heinrichs Sohn, nutzte die Burg Anfang des 13. Jahrhunderts, um Druck auf Goslar auszuüben, wie der Chronist Arnold von Lübeck berichtet – die Stadt wurde fast entvölkert, die Silberminen am Rammelsberg zerstört.

Burgen dienten im Mittelalter nicht nur der Verteidigung – sie waren auch Ausgangspunkt für Angriffe, etwa zur Zerstörung der Nahrungsgrundlagen des Feindes. So verhinderte 1246 der Lichtenberger Vogt Gebhard von Bortfeld die Ernte des Hochstifts Hildesheim in Klein Freden.

Auch wirtschaftlich war die Burg ein Impulsgeber: Märkte und Gewerbe entstanden in ihrer Nähe. 1204 verbrachte Otto IV. Weihnachten auf der Burg und hielt einen Hoftag ab – für kurze Zeit war Lichtenberg das Zentrum des Reiches. Als Zahlungsmittel diente möglicherweise der sogenannte Lichtenberger Brakteat – eine nur einseitig geprägte Münze.

Seit 1273 ist für die Burg die Ausübung der Gerichtsbarkeit nachweisbar. Sie war sogar mit der hohen Gerichtsbarkeit ausgestattet, also zur Verhängung von Todesurteilen befugt. Vermutlich fanden solche Verhandlungen am Evangelienberg statt – einem Hügel, der heute noch durch eine Linde markiert ist. Die Thingplätze in Ober- und Niederfreden hatten dagegen eher lokalen, bäuerlichen Charakter.

Lage der Burg Lichtenberg zwischen Hildeshem Braunschweig und Goslar

Das Jahr 1180 markiert den Beginn der urkundlich belegten Geschichte der Burg Lichtenberg – und zugleich den Beginn ihres ersten Niedergangs: Heinrich der Löwe verlor seine Macht. Die Burg selbst überdauerte weitere 372 Jahre, bevor sie durch Kanonen endgültig zerstört wurde.

Wie kam es dazu?

1517 schlug Martin Luther seine 95 Thesen an – der Beginn der Reformation. Die konfessionellen Spannungen führten bald zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Kaiser Karl V., ein treuer Katholik, versuchte die Einheit von Kirche und Reich zu wahren. 1530 überreichten ihm protestantische Reichsstände in Augsburg die Confessio Augustana – das Grundbekenntnis der lutherischen Kirchen –, doch der Kaiser lehnte ab. In der Folge bildete sich der Schmalkaldische Bund, ein Zusammenschluss protestantischer Fürsten.

1542 verdrängten Landgraf Philipp von Hessen und Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen den katholischen Herzog Heinrich II. von Braunschweig-Wolfenbüttel. Dies provozierte den Kaiser und führte 1546 zum Schmalkaldischen Krieg. Der Kaiser siegte 1547 bei Mühlberg/Elbe. Der Schmalkaldische Bund zerfiel, Heinrich II. kehrte zurück.

Doch was hatte das mit der Burg Lichtenberg zu tun?

Zunächst wenig. Doch einer der Beteiligten des Fürstenaufstandes von 1552 – Markgraf Albrecht II. Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach – wurde für die Burg zur Schicksalsfigur. Zunächst kämpfte er für den Kaiser, später plünderte er in Franken und wurde als Landfriedensbrecher verfolgt. Sein erbitterter Gegner wurde Heinrich II. von Braunschweig-Wolfenbüttel – ein alter Kontrahent.

1552 – das Schicksalsjahr der Burg Lichtenberg: Albrecht marschierte mit seinem Söldnerheer nach Norden, unterstützt von der Stadt Braunschweig, die ihren Herzog loswerden wollte. Die Plünderungen betrafen besonders die Burg Lichtenberg. Sie wurde zerstört – ein sichtbares Zeichen für den Untergang eines einst so wichtigen Herrschaftszentrums.